Imperium der Angst by Daniel Dersch

Imperium der Angst by Daniel Dersch

Autor:Daniel Dersch
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
veröffentlicht: 2014-07-10T22:00:00+00:00


55

Char­lie lief vor­an und Andy folg­te ihm in ge­rin­gem Ab­stand. Na­tür­lich konn­te er viel schnel­ler lau­fen als sein klei­ner Bru­der, und nicht sel­ten muss­te er sich so­gar zü­geln, um Char­lie nicht über den Hau­fen zu ren­nen. Doch so um­ständ­lich die­se Art der Flucht auch war, dach­te Andy, sie hat­ten kei­ne an­de­re Wahl. Er konn­te Char­lie nicht tra­gen, und wenn er selbst die Führung über­nahm, dann wür­de er Ge­fahr lau­fen, sei­nen Bru­der zu ver­lie­ren.

Also muss­te Char­lie die Rich­tung vor­ge­ben.

Und ei­gent­lich, dach­te Andy, mach­te er sei­ne Sa­che ver­dammt gut. Er lief im Zick­zack durch das Un­ter­holz, um ih­ren Ver­fol­ger zu ver­wir­ren. Alle paar Se­kun­den än­der­te er sei­ne Lauf­rich­tung, so als wüss­te er in­s­tink­tiv, dass das die bes­te Me­tho­de war, um den Un­be­kann­ten ab­zu­hän­gen, der ih­nen auf den Fer­sen war. Der Licht­ke­gel sei­ner Ta­schen­lam­pe fraß sich durch die Dun­kel­heit und wies Andy den Weg wie der Strahl ei­nes Leucht­turms in tief­schwar­zer Nacht.

Doch ob­wohl Char­lie sei­ne Sa­che gut mach­te, konn­te Andy hören, dass ihr Ver­fol­ger mit je­der Se­kun­de näher kam. Das Stamp­fen schwe­rer Ab­sät­ze hall­te hin­ter ih­nen durch den Wald und ver­riet Andy, dass er be­stän­dig auf­hol­te. So gut ihr Plan viel­leicht auch ge­we­sen war, dach­te Andy, er wür­de nicht aus­rei­chen, um sie un­ge­scho­ren aus die­ser Sa­che raus­kom­men zu las­sen.

Sie wa­ren ein­fach viel zu lang­sam.

Au­ßer­dem ahn­te Andy, dass Char­lies Ta­schen­lam­pe ih­nen mehr scha­de­te als nützte. Ihr Ver­fol­ger hat­te leich­tes Spiel; er muss­te sich nur an ih­rem Licht­schein ori­en­tie­ren. Es war an der Zeit, sich einen an­de­ren Plan zu über­le­gen, um den Un­be­kann­ten ab­zu­schüt­teln.

Ja, es war an der Zeit …

Doch ge­nau dar­in lag das größte Pro­blem: Sie hat­ten kei­ne Zeit, um sich über Al­ter­na­ti­ven zu be­ra­ten. Was er auch tat, dach­te Andy, er muss­te ein­fach auf sei­ne In­s­tink­te ver­trau­en und hof­fen, dass die­ser Plan auf­ging.

Des­we­gen be­schleu­nig­te er den Schritt und schloss zu Char­lie auf. Er pack­te sei­nen Bru­der an den Schul­tern und riss ihm die Ta­schen­lam­pe aus der Hand.

»Andy, was …?«

»Pst!«

Char­lie ver­stumm­te so­fort und sie blie­ben bei­de ste­hen.

Hin­ter ih­nen kam der Ver­fol­ger im­mer näher. Das Stamp­fen sei­ner Ab­sät­ze hall­te über das fla­che Land, und sie konn­ten hören, wie er ra­schelnd durch die Bü­sche brach, ohne sei­nen Schritt auch nur ein ein­zi­ges Mal zu ver­lang­sa­men.

Andy wuss­te da­her, dass er so­fort han­deln muss­te.

Schnell …

Er hol­te weit aus und warf die Ta­schen­lam­pe ins Un­ter­holz. Die­ses Ma­nö­ver wür­de den Ver­fol­ger zwar nicht kom­plett ab­schüt­teln, dach­te er, ih­nen aber den­noch ein bis­schen Zeit ver­schaf­fen. Zeit, die sie dazu nut­zen konn­ten, um sich ein Vers­teck zu su­chen.

Hof­fent­lich …

Gleich dar­auf nahm er die Hand sei­nes Bru­ders, über­nahm die Führung und zog ihn hin­ter sich her. Statt den leich­tes­ten Weg durch den Wald zu wählen, brach er mit­ten durch das dich­tes­te Ge­büsch. Kno­chi­ge Äste und Dor­nen zer­kratzten sei­nen nack­ten Ober­kör­per, My­ria­den von Dor­nen und Sta­cheln bohr­ten sich in sei­ne Haut, doch Andy nahm die Schmer­zen kaum wahr. Mit der einen Hand zog er Char­lie hin­ter sich her, während er mit der an­de­ren noch im­mer sein T-Shirt um­schlun­gen hielt, in dem die un­be­kann­te Krea­tur ruh­te.

Und sie ruh­te tat­säch­lich, dach­te Andy. Seit­dem sie auf­ge­bro­chen wa­ren, hat­te sie kei­nen ein­zi­gen Mucks mehr von sich ge­ge­ben.



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